Boxsack

Boxsack, 2011

Nadine Decker (Köln)
Material Beton, Stahl, Stahlketten
Maße 90 x 35 cm

Nadine Deckers Boxsack hängt mit einer großen Wucht im Raum, er ist ein übermächtiger Gegner: Sich vorzustellen, gegen ihn antreten zu müssen, löst schmerzhafte Phantasien aus. Beton ist ein Gegner, den man sich nicht aussucht. Der Boxsack hat durch dieses Material eine Präsenz im Raum, die schwer zu ertragen ist. Es ist ein brutales Objekt, das ihm gegenüber eine gewisse Ohnmacht aufkommen lässt.

Doch wer ist hier überhaupt der Gegner? Ein Boxsack ist ein Trainingsutensil, das den Sportler fit für den Wettkampf machen soll. In Beton gegossen verliert der Boxsack diese Funktion – er wird zum Kunstwerk, das zum Denken anregt. Mit Stahlketten von der Decke hängend präsentiert sich der Sack in all seiner Schwere und Dichte. Beton gleicht in seiner Festigkeit Gestein. Der Betonbau der Gegenwart hat seine klaren wie unschönen Erscheinungen. Trotz oder wegen des Materials Beton hat der Boxsack auch seine feine, nahezu fragile Seite: in der fein abgegossenen Stoffstruktur, in den Schattierungen des Graus und durch das freie Hängen im Raum.

Nadine Decker ist eine Künstlerin mit einem mannigfaltigen Materialverständnis: unter anderem Fotografien, Ton- und Beton-Objekte oder Filme entstanden bisher. Persönliches fließt in viele der Arbeiten ein. So ist es auch der Boxsack der Künstlerin, den sie in Beton gegossen hat. Mit dieser Information bekommt das Werk eine zusätzliche Dimension, ist es doch nicht nur Arbeit, sondern bisweilen auch ein Kampf, in der Kunst zu bestehen. Gut im Training zu stehen, kann dabei nur von Vorteil sein.

Im Werkzusammenhang von Nadine Decker korrespondiert der Boxsack inhaltlich mit früheren Arbeiten: in der Fotoserie Lose (2008)1 portraitierte sie die Verlierer von Boxwettkämpfen; in der Serie selbst boxen (Arbeitstitel, 2008)2 wurden sieben ungebrannte Tonbüsten des Oberkörpers der Künstlerin zum Gegenüber. Die verschiedenen Kickboxtechnicken Backfist, Haken, Punch, Roundhousekick, Sidekick, Sidekick (gedreht), Uppercut landeten im Portrait des Gesichts der Künstlerin: „Der Kampf, insbesondere der Boxkampf ist der direkteste Weg das menschliche Bedürfnis nach Aggression zu bedienen.“3 (Nadine Decker).

Text: Lisa Steib


1 http://www.nadine-decker.com/index.php?article_id=11, 17.03.2022.

2 http://www.nadine-decker.com/index.php?article_id=12, 17.03.2022.

3 http://www.nadine-decker.com/index.php?article_id=14, 19.03.2022.