Behausung

Behausung, 2010

Maria Einert (Bielefeld)
Material Fotografie
Maße Maße 15x15cm

die pfade finden

neben den befahrenen straßen runter und über

und vorbei rauschen die wege

doch dazwischen sieht keiner

einer die vögel und die schnecke

im dickicht das reh

dort

grasen zwischen dem morschen geröll spatzen, die ersten

hier will ich lauschend nach dem weg fragen

lege sanfte hügel in mich –

angeschwemmte tage des gestern

und finde den im boden versunkenen bären

Behausung nennt Maria Einert ihre Fotografie. Die Behausung ist das freigelegte Wurzelwerk eines alten Baumes. Unter ihn legte sich die Künstlerin für die Dauer der Belichtung des Filmes der Lochkamera. Die analoge Technik der Camera Obscura, welche hier verwendet wird, lässt diese Performance der Künstlerin zu. Nur schemenhaft erkennt man ihren Kopf und Körper in der Höhle des Baumes, und doch ist es auch ein Selbstportrait, dem wir uns gegenübersehen. Die Fotografie stammt aus der Serie Vor_Ort und ist in Halle an der Saale entstanden, wo Maria Einert studierte. Zu dieser Zeit widmete die Künstlerin sich auch der Lyrik. Ihre Gedichte begleiten kongenial die naturnahen Aufnahmen.

Die Komposition des Bildes Behausung ist wohl gewählt. Im Hintergrund bilden die Schemen der Bäume einen Kontrast zum Himmel. Im Zentrum stehen Wurzeln und Baumstamm, im Vordergrund gibt sich ein kleiner Abhang zu erkennen. Die Szene wirkt fragil. Ein Mensch legt sich in der Behausung auf die Erde, hat direkten Kontakt zu ihr. Es ist ein wenig unheimlich, diese Szene zu beobachten. Was sucht der Mensch in einem ausgehöhlten Baum. Versteckt er sich? Ist er auf der Flucht? Oder sucht er einen Rückzugsort vor dem Lärm und der Schnelligkeit der Welt?

Maria Einert ist es gelungen, eine zwielichtige Situation ins Bild zu setzen. Einem Tier gleich sucht sie in der Höhle des Baumes eine Form von Schutz wie in einem Bau. Sie wagt es, sich direkt in das knorrige und gleichzeitig massive Wurzelwerk hineinzubegeben. Das Warum bleibt offen. Es regt den Betrachter vielmehr an, den eigenen Umgang mit der Natur zu hinterfragen und sich mit den Themen Heimat, Rückzugsort und der Frage „Was gibt mir Schutz?“ auseinanderzusetzen. Wesentlich in diesem Kunstwerk bleibt die unmittelbare Bezugnahme der Künstlerin zur Natur. Die Fotografie steht in diesem Zusammenhang auch als Dokument einer Performance, die im Kopf des Betrachters erst lebendig wird.